Fortsetzung: Mal was Neues für unsere Privatpatienten

Gilt die Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ) auch bei der Behandlung von Privatpatienten durch Physiotherapeuten?

Amtsgericht Dortmund entscheidet zugunsten des Versicherten und schließt sich damit der Entscheidung des Landgericht Frankfurt (siehe Netzmeldung vom 30.05.2017) an.

Fälle, in denen Private Krankenversicherungsunternehmen ihren Kunden die Erstattungsätze kürzen, führen in den letzten Jahren immer häufiger zu Rechtsstreitigkeiten zwischen privatkrankenversicherten Patienten und ihren Versicherungen. So auch jüngst in einem Fall aus Dortmund, in dem die private Krankenversicherung, unter Hinweis auf die Tarifbedingungen, die Auffassung vertrat, dass sich ihre Erstattungspflicht im Rahmen der Ortsüblichkeit an den Gebührensätzen für gesetzlich Krankenversicherte (im Rahmen der Gebührenordnung Ärzte, GOÄ) und die beihilfefähigen Erstattungshöchstbeträge zu orientieren habe. Der Versicherer kürzte daraufhin die Gesamtrechnung um 120,40 EUR auf die Sätze gemäß GOÄ. Der Versicherte erhob daraufhin Klage beim zuständigen Amtsgericht. Die Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund (Urteil vom 18.07.2017 Az.: 425 C 2687/17) fiel eindeutig aus (Zitat):

Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung der restlichen Behandlungskosten aus dem abgeschlossenen Behandlungsvertrag iVm § 192 I VVG verlangen. Die Leistungspflicht der Beklagten ist hinsichtlich der physiotherapeutischen Leistungen nicht auf die Sätze der GOÄ beschränkt. Es kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte eine Regelung dieses Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hätte treffen können (vgl. für den dortigen Fall verneinend LG Coburg NJW-RR 2015, 658). Vorliegend hat sie eine solche Regelung jedenfalls nicht getroffen. Die Klausel in Teil II (TB/KK) zu § 4 (1) MB/KK, lit. c) kann nicht so verstanden werden, dass die Sätze der GOÄ auch Anwendung finden sollen. Der Verweis auf die „jeweiligen Gebührenordnung“ bezieht sich nicht auf die GOÄ. Eine andere Gebührenordnung gibt es nicht. Der Verweis auf die „jeweils gültigen … Gebührenordnungen“ impliziert, dass auch der Verweis nur innerhalb des jeweiligen Anwendungsbereichs gelten soll (so im Ergebnis auch LG Köln v. 17.06.2009 – 23 O 380/08, Juris; LG Frankfurt Urt. v. 17.11.2016 – 2 – 23 O 71/16).

Unerheblich ist, ob die Behandlungssätze des Physiotherapeuten ortsüblich sind. Die Leistungspflicht der Beklagten beschränkt sich nicht auf die Erstattung ortsüblicher Kosten. Gemäß § 192 Abs. 2 VVG, entsprechend § 5 Teil I (MB/KK) Abs. 2 Satz 2, entfällt die Leistungspflicht der Beklagten erst bei Aufwendungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen. Dazu trägt die Beklagte nichts vor, der Vortrag, die Kosten seien „unangemessen“ überhöht, ist gänzlich substanzlos. Es geht hier um ganz wenige Euro. Für die Angemessenheit spricht bereits eine tatsächliche Vermutung, weil die Behandler die Kosten in dieser Höhe geltend machen (LG Frankfurt VersR 2003, 232).

Im Übrigen ist für die Ermittlung der ortsüblichen Preise für physiotherapeutische Leistungen allein auf die Gruppe der privat Versicherten abzustellen. Das System der gesetzlichen Krankenversicherung kennt gar keine ortsüblichen Preise, weil diese verordnet bzw. einseitig festgelegt werden (ähnlich auch LG Frankfurt VersR 2003, 232).

Auch eine Begrenzung der Leistungspflicht auf beihilfefähige Höchstsätze ist den Vertragsbedingungen nicht zu entnehmen. Auch die Beihilfesätze werden einseitig festgelegt und unterliegen keinen Marktmechanismen. Die erstattungsfähigen Beträge betreffen ausschließlich das Verhältnis des Beihilfeberechtigten zu seinem Dienstherren und hat keinerlei Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen Behandler und Patienten.

Insofern ist die Klage in der Hauptsache in vollem Umfang begründet. Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1, § 288, § 291 BGB.

Zu den zu erstattenden Verzugskosten gehören auch die Kosten für die vorgerichtliche Beratung des Klägers. Auch diese sind ausschließlich wegen der Weigerung der Beklagten, die vertraglich geschuldeten Zahlungen zu erbringen, entstanden.

Damit hat ein weiteres Zivilgericht festgestellt, dass die Kürzung eines Erstattungsantrages eines Privatversicherten auf die Höchstsätze gemäß GOÄ unzulässig ist.

Quelle: Deutscher Verband für Physiotherapie (ZVK) e.V.

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